Warum Kritisches Denken im Web wichtig ist

  • 30. Januar 2017 / Trivia

Das Internet ist großartig. Es ist in der Hinsicht großartig, dass es haufenweise Informationen bereithält und damit auch Wissen, welches du dir aneignen kannst. Das Problem dabei ist nur, dass bei so vielen Informationen auch viele dabei sind, welche nicht stimmen. Das kommt einfach daher, dass jeder seine Informationen und sein Wissen teilen kann. Und genau das bringt Probleme.

Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich bin für ein offenes World Wide Web und jeder sollte in diesem das veröffentlichen können, was er möchte und gesetzlich in Ordnung ist. Eben das birgt aber auch das Risiko, dass falsche Informationen verbreitet und von der breiten Masse akzeptiert werden. Das geht manchmal schneller, als du vielleicht denkst.

Diesen Artikel möchte ich deshalb nutzen, um dir zu zeigen, warum und wie du Kritisches Denken im Web anwenden kannst.

Was bedeutet Kritisches Denken?

Wenn du eine (neue) Information aufnimmst, hast du die Wahl. Du hast die Wahl zwischen »Ich glaube dieser Information« und »Ich stelle die Information in Frage«. Beim Kritischen Denken geht es um letzteres.

Es geht darum, dass du Beweise dafür findest, dass diese Information korrekt und vertrauenswürdig ist. Das bedeutet, dass du Nachforschungen zu dieser Information anstellst. Diese Nachforschungen können mal kurz und mal lang sein. Bei dieser Recherche geht es letztendlich darum, Informationen zu finden, die das aufgenommene bestätigen oder widerlegen.

Kritisches Denken kann aber nicht nur auf aufgenommene Informationen angewandt werden. Ebenso geht es darum, dass Handlungen durch Argumente und Gründe nachvollziehbar sind. Das betrifft übrigens nicht nur die Handlungen von Anderen, sondern auch deine eigenen.

Das Ziel des Kritischen Denken ist es, ungenügende Informationen, Fehler und Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und abzuwenden, sofern noch möglich.

Warum es im Web besonders wichtig ist

Aus meiner Sicht hat der Journalismus im Netz die letzten Jahre ziemlich gelitten. Viele Artikel da draussen sind schlecht bis gar nicht recherchiert. Von Objektivität mal ganz zu schweigen. Aber warum? Jedes News-Seite möchte die erste sein, die Neuigkeiten veröffentlichen kann, welche es wert sind geklickt zu werden. Da bleibt keine Zeit für ausführliche Recherche. Dazu kommt noch, dass Überschriften alles sind. Es geht schließlich um Klicks. Daher sind diese oft reißerisch oder entsprechen nicht dem Inhalt des Artikels oder gar der Wahrheit. Wenn du also zu den Menschen gehörst, welche Überschrieben überfliegen und ihr Wissen aus diesen ziehen, solltest du dieses Verhalten überdenken.

Selbst Videos sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Oft, weil sie ohne Kontext und Hintergrundwissen gesehen und beurteilt werden. Wenn ich also sehe, dass sich jemand selbst dabei filmt, wie er aus einem Flugzeug geschmissen wird, weil er angeblich lediglich eine Sprache aus dem mittleren Osten gesprochen hat, finde ich dieses Verhalten der Fluggesellschaft im ersten Moment ziemlich falsch. Ich weiß aber überhaupt nicht was davor passiert ist und letztendlich zu dieser Tat geführt hat. Mir fehlt der Zusammenhang. Habe ich also wirklich das Recht, mir dazu eine Meinung zu bilden und die Fluggesellschaft zu verteufeln, ohne mich vorher schlau zu machen oder auf nähere Informationen zu warten?

Auch auf Twitter ist längst nicht alles wahr, was mehr als tausend Mal weiter verteilt wurde. Wenn aufregende Neuigkeiten gelesen werden, werden diese schnell mal verbreitet, ohne deren Herkunft oder Wahrheit zu prüfen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass die Menschen davon ausgehen, vertrauenswürdigen Quellen zu folgen und es deshalb nicht nötig sein sollte. Und wie beim Journalismus auch davon, dass viele die ersten sein wollen, die es weiterverbreiten und entdeckt haben.

Anwendung auf das Web

Anhand von ein paar Beispielen möchte ich dir gerne zeigen, wie ich versuche, Kritisches Denken anzuwenden, wenn ich im Netz unterwegs bin.

News und Artikel

Wenn ich eine News lese, achte ich gerne darauf, was die Quelle dieser Neuigkeit ist. Ist eine angegeben, folge ich dieser und lese mir die Original-Meldung durch. Wenn nicht, versuche ich via Suchmaschine herauszufinden, wo das Ganze wohl seinen Ursprung hat. Sobald ich diesen gefunden habe, lese ich mir das Original durch. Das empfinde ich besonders dann als sinnvoll, wenn das Original in Englisch verfasst wurde. Nicht selten werden auf deutschen News-Portalen Dinge falsch oder nur ungenügend übersetzt.

Auch bei Interviews ist es immer gut, sich das Original durchzulesen. Gerne werden mündlich getätigte Aussagen nur teilweise und ohne Zusammenhang zitiert und interpretiert. Da kommt am Ende dann schnell mal eine Aussage herüber, die so nicht getätigt wurde.

Wenn das Original mal nicht auffindbar sein sollte, versuche ich via Suchmaschine andere Webseiten zu finden, welche die Neuigkeit ebenfalls veröffentlicht haben. Entweder finde ich darüber dann die Quelle oder finde so viele Berichte, die das gelesene Bestätigen oder Widerlegen, bis ich ein gutes Gefühl habe und die Nachricht als wahr oder falsch einstufen kann.

Videos

Wenn ich Videos schaue, in denen sich jemand als Opfer ausgibt, recherchiere ich zu dieser Person gerne nach. Wer ist das, der sich dort selbst filmt? Was für Videos hat dieser Mensch in der Vergangenheit hochgeladen? Ich versuche mir einfach ein besseres Bild von dieser Person zu machen und dadurch einzustufen, was das wirkliche Ziel dieses öffentlichen Videos ist und wie vertrauenswürdig es ist. Selbstdarstellung wird gerade in YouTube Deutschland groß geschrieben. Leider.

Soziale Netzwerke

Was ich zu News und Videos geschrieben habe, trifft auf Informationen, welche über Soziale Netzwerke aufgenommen werden, ebenfalls zu. Zusätzlich beachte ich aber noch ein paar weitere Dinge.

Ich habe die letzten Jahre gelernt, dass die Anzahl an Likes und Retweets nichts darüber aussagt, wie wahr ein Post ist. Leute verbreiten viel zu schnell und leichtfertig Informationen, welche sie nicht geprüft haben. Also versuche ich es besser zu machen und schaue mir bei Tweets zum Beispiel die Antworten an. Das gleiche geht auf Facebook mit Kommentaren. Ich schaue nach Leuten, die das Geschriebene kritisch hinterfragen. Auf Antworten, welche den Post entweder durch Fakten widerlegen oder wenn es um Meinungen geht, andere Ansichten haben und diese begründen.

Wenn ich Einträge sehe, in denen sich über etwas ausgelassen oder beschwert wird, gehe ich gerne sicher, dass ich diese richtig verstanden habe. Wenn die Aussage nicht eindeutig ist, lohnt es sich immer nachzufragen, statt anzunehmen es wurde richtig verstanden. Es gibt genug Streit, der allein durch Missverständnisse entsteht.

Das waren nur ein paar Beispiele. Ich denke, jeder muss seinen eigenen Weg finden, um Kritisches Denken anzuwenden. Und jeder sollte auch für sich entscheiden, wann es sinnvoll oder notwendig ist.

Ein weiterer Tipp für die Sozialen Netzwerke kommt im folgenden Teil. Wenn du also bereits bis hier gelesen hast, lohnt es sich bestimmt auch noch den Rest zu lesen.

Die Herausforderungen im Web

Auch wenn du weißt, was Kritisches Denken bedeutet und wie es anzuwenden ist, heisst es noch lange nicht, dass das einfach ist. Besonders im Netz gibt es Umstände, welche das Anwenden erschweren.

Zum Einen gibt es da die zwei Blasen, in der sich viele Nutzer durch ihre Sozialen Netzwerke befinden. Es gibt die Blase, welche von den Sozialen Netzwerken geschaffen und Filterblase genannt wird. In dieser Blase werden dir nur Inhalte angezeigt und vorgeschlagen, die angeblich zu dir passen. Dann gibt es noch die Blase, welche viele Nutzer sich selbst schaffen, indem sie zum Beispiel auf Twitter Menschen folgen, die ähnliche Interessen und Meinungen haben. Auf Facebook ist es ähnlich.

Beide Blasen führen dazu, dass der Kreis der Informationen, welche du täglich wahrnimmst, stark eingeschränkt ist. Für die erste kannst du nicht wirklich etwas. Für die letztere aber schon.

Ja, es ist einfach und bequem in seiner Timeline nur Posts von Menschen zu haben, welche die gleiche Meinung teilen und auch sonst sehr ähnlich sind. Das Ganze nennt sich Confirmation Bias (Die Suche nach Bestätigung) und ist ziemlich menschlich. Allerdings führt eben genau das dazu, dass du andere Ansichten und Meinungen nicht kennenlernen kannst.

Dabei ist es überhaupt nicht schlimm, wenn jemand eine andere Meinung vertritt. Du musst nicht zwingend mit der Meinung einverstanden sein, die jemand anderes hat. Aber du kannst sie akzeptieren. Und wenn du noch weiter gehen möchtest, kannst du nachfragen. Du kannst versuchen zu verstehen, warum diese Person diese Meinung vertritt und dadurch neue Blickwinkel kennenlernen. Und vielleicht merkst du dann, dass aus dem Blickwinkel dieser Person, das Geschriebene gar nicht mal so doof ist. Genauso kannst du in einer Diskussion deinen Standpunkt erläutern und der anderen Person dabei helfen zu verstehen, was deine Beweggründe sind.

Andere Sichtweisen und Meinungen sind wichtig. Sie können dir helfen, über den Tellerrand hinaus zu schauen und mehr Informationen zu einem Thema zu bekommen, als es sonst der Fall wäre. Vor allem aber nicht nur mehr, sondern auch differenzierte Informationen.

Schlusswort

Ja, Kritisches Denken im Web kostet dich Zeit. Ja, manchmal kostet es dich auch Nerven und ist anstrengend. Und manchmal willst du es auch einfach ignorieren und blind drauf los schreiben, liken oder retweeten. Das ist OK. Aber ich denke, es ist gut zu wissen, dass es so etwas gibt und dass es angewandt werden kann. Ich persönlich bin immer wieder froh, wenn ich herausfinde, dass eine gewisse Information nicht stimmt und ich nicht dazu beigetragen habe, sie weiter zu verbreiten.

Auf falsche Informationen werden falsche Entscheidungen getroffen. Manche sind weniger schlimm als andere. Aber besonders bei den wichtigen und für die Gesellschaft relevanten Informationen sollten wir alle ein kritisches Auge drauf werfen und uns fragen, ob das wirklich richtig ist.