Review – Pyre

  • 30. September 2017 / Videospiele

Pyre ist das neueste Werk des Entwickler Studios Supergiant Games, welches zuvor für die Spiele Bastion und Transistor verantwortlich war. Da mir Transistor damals viel Freude bereitet hat, habe ich einen Blick in Pyre gewagt. Wie mir das neuste Spiel der Entwickler gefällt, verrate ich dir in dieser Review.

Downside – Die Welt der Ausgestoßenen

In der Welt von Pyre gibt es das »Commonwealth«, ein Land welches für seine Barmherzigkeit bekannt sein soll. Wer sich in diesem Land nicht an die Regeln hält oder sogar mit ihm verfeindet ist, wird in die sogenannte Downside verbannt. Eine ganz eigene und groteske Welt, in der aufgrund der äußeren Bedingungen das Überleben nicht leicht fällt.

In genau dieser Welt findest du dich als Spieler von Pyre wieder – völlig geschwächt und kurz davor zu sterben. Du hast allerdings Glück und wirst von drei maskierten Reisenden gefunden, die mit einem alten Waggon durch die Downside reisen. Diese drei, welche sich die »Nightwings« nennen, nehmen dich mit und du kannst dich langsam wieder erholen.

Wie sich herausstellt, hast du eine besondere Gabe: du kannst lesen. Die Fähigkeit des Lesens ist im Commonwealth verboten und deshalb etwas, das nur sehr wenige beherrschen. Wie dir deine drei Retter erzählen, kannst du, der »Reader«, ihnen mit deiner Gabe von großem Nutzen sein. Mit Hilfe geheimnisvoller Bücher und deiner Fähigkeit des Lesens soll es möglich sein, erleuchtet zu werden und somit einen Weg aus der Downside und zurück in das Commonwealth zu finden. Um erleuchtet zu werden, reicht es aber nicht, einfach nur ein paar Bücher zu lesen. Deine Gefährten und du müssen an einem Turnier teilnehmen und Wettkämpfe in Ritualen, sogenannten »Rites«, bestreiten.

Der Weg zur Erleuchtung

In diesen Ritualen kämpfen zwei Teams aus je drei Mitgliedern um den Sieg. Dabei übernimmst du die Kontrolle über deine drei Gefährten und steuerst sie über das Spielfeld. Dieses ist in zwei Hälften unterteilt. Außerdem befindet sich in jeder Spielhälfte ein sogenannter »Pyre« und in der Mitte eine Kugel. Jedes Team startet in seiner eigenen Hälfte und hat zu beginn eine Gewisse Anzahl an Punkte. Ziel ist es die Kugel in den gegnerischen Pyre zu transportieren oder zu werfen, bis der Gegner keine Punkte mehr hat.

Das besondere dabei ist, dass du dabei nur einen Charakter deines Teams kontrollieren kannst und die beiden anderen herum stehen, da sie auch nicht von einer KI gesteuert werden. So kannst du dich entweder voll auf einen einzigen Charakter konzentrieren, um die Kugel in das Ziel zu befördern oder schnell zwischen den Charakteren hin und her schalten, um mit Teamarbeit zu gewinnen. Dazu kannst du die Kugel zwischen deinen Charakteren hin und her werfen.

Um dich davon abzuhalten, kann der Gegner dir durch Angriffe die Kugel abnehmen oder deine Charaktere für eine gewisse Zeit vom Spielfeld verbannen. Das Gleiche gilt natürlich für dich, wenn der Gegner die Kugel hat. Angriffe werden dabei entweder durch ein Kraftfeld, welches die meisten Charaktere um sich herum haben, durchgeführt oder durch Fernangriffe, welche aufgeladen werden müssen.

Die Angriffe unterscheiden sich dabei von Charakter zu Charakter, genauso wie die Geschwindigkeit, Reichweite des Sprungs und das Vorhandensein und die Größe des Kraftfeldes. So gibt es zum Beispiel die Dämonin Jodariel, welche recht langsam ist, dafür aber ein großes Kraftfeld hat. Und dann gibt es wiederum den hundeähnlichen Rukey, welcher ein kleineres Kraftfeld hat, dafür aber besonders schnell ist.

Schnelle Partien mit Strategie und abwechslungsreichen Gegnern

Als ich das erste Mal von dieser Spielweise gehört habe, war ich sehr skeptisch. Kann das wirklich funktionieren und Spaß machen, wenn sich aus jedem Team nur ein Charakter bewegen kann? Die Antwort lautet: ja. Erstaunlich gut sogar. Das liegt vor allem daran, dass du sehr schnell zwischen den Charakteren wechseln und dir die Kugel hin und her spielen kannst. Dadurch spielen sich die Rituale recht schnell.

Auch kannst du dir anhand deiner zusammengestellten Gruppe Strategien überlegen. Lässt du die langsamen Charaktere mit einem großen Energiefeld beim Pyre, um ihn im Fall eines Ballverlust zu beschützen? Oder schreitest du langsam mit ihnen voran, um Angriffe auszuführen? Oder machst du etwas ganz anderes, setzt alles auf einen besonders flinken Charakter und versucht mit diesem nicht nur als erstes an die Kugel zu kommen, sondern auch an den Gegner vorbei und in den gegnerischen Pyre zu springen? Das sind alles Fragen, die du dir stellen kannst.

Während der Geschichte triffst du auf zehn unterschiedliche Kontrahenten, deren Teams alle unterschiedlich zusammengesetzt sind und daher auch verschiedene Stärken und Schwächen haben. Die KI macht beim Steuern dieser Teams durchaus einen guten Job. Jedoch hat sie einen gravierenden Schwachpunkt: schnelle Charaktere. Wenn du mit einem schnellen Charakter zuerst an den Ball kommst und schon ein wenig Erfahrung in den Rites gesammelt hast, ist es relativ einfach mit diesem im Alleingang an den Gegnern vorbei zu sprinten oder zu springen und den Ball in den gegnerischen Pyre zu befördern. Es ist wirklich schade, dass lediglich diese eine Herangehensweise etwas ist, der die KI in den meisten Fällen nichts entgegensetzen kann. Abgesehen davon können die Rituale aber wirklich spannend werden.

Nicht nur die unterschiedlichen Teams sorgen für Abwechslung, sondern auch die Gefährten, welche du für die Rituale nominierst. Manche unterscheiden sich wirklich sehr stark von anderen und verlangen daher auch andere Herangehensweisen. So gibt es auch solche, die gar kein Kraftfeld um sich herum haben.

Ein Hauch von Spezialisierung und Herausforderungen

Mit jedem Einsatz eines Charakters und seiner erbrachten Leistung in einem Rite steigt dessen Stufe der Erleuchtung. Mit jeder zusätzlichen Stufe kannst du dann in einem einfach gehaltenen Fähigkeitenbaum die Werte des Charakters verbessern oder neue Fähigkeiten freischalten. Dabei kannst du nie alle verfügbaren Fähigkeiten freischalten, sondern musst dir gut Überlegen, in welche Richtung du ihn entwickeln möchtest.

Auch gibt es zwischen den Ritualen die Möglichkeit in einem Shop Talismane und andere Gegenstände zu kaufen. Mit diesen kannst du dann deine Gefährten ausrüsten und deren Werte verbessern. Das Geld, welches du zum Kaufen der Items benötigst, bekommst du durch bestimmte Ereignisse in der Spielwelt oder gemeisterte Herausforderungen während der Rites und ist stets rar. Es lohnt sich also genau zu überlegen, für welche Items zu dieses ausgeben möchtest.

Insgesamt sind der Fähigkeitenbaum und die Items eine nette Mechanik, welche es ermöglicht die Charaktere noch mehr zu spezialisieren. Ich hatte aber nie den Eindruck, dass sie wirklich den großen Unterschied machen. Es kam mir eher wie Fine Tuning vor.

Wenn dir die Rituale nicht anspruchsvoll genug sind und du noch speziellere Talismane haben möchtest, kannst du für jeden Charakter gewisse Herausforderungen annehmen. Dabei tritt der Charakter alleine gegen ein Team an, welches aus den üblichen drei Gegenspielern besteht. Diese sind wirklich nicht einfach zu bewältigen und sind für zwischendurch ein netter Zeitvertreib. Im letzten Teil des Spielverlaufs hast du außerdem die Möglichkeit, vor jedem Rite einen oder mehrere Titanen auszuwählen. Jeder dieser Titanen erschwert das Ritual um eine bestimmte Komponente. Zum Beispiel startest du mit weniger Punkten. Im Gegenzug bekommen deine Gefährten mehr Erleuchtung. Eine nette Idee, welche hilft die Schwächen der KI zu überspielen.

Viel Lesestoff und das Kennenlernen deiner Gefährten

Neben dem Bestreiten von Rites gibt es auf dem Weg zur Erleuchtung aber noch mehr zu tun. Tatsächlich ist die Anzahl der Rites in den circa 14 Stunden im Vergleich zu den restlichen Aktivitäten eher gering. So steht in Pyre vor allem eins im Vordergrund: lesen – schließlich bist du ja der Reader. Alein die anfangs erwähnten Bücher bieten über 100 Seiten Lesestoff und dazu kommen dann noch die diversen Dialoge, welche zwischen dir, deinen Kontrahenten und Gefährten stattfinden.

So erfährst du mit Hilfe der Bücher immer mehr über die Downside und derer Besonderheiten und über die Rituale und die Erleuchtung. Diese sind durchaus interessant geschrieben und auch sehr schick gestaltet. Dennoch machen sie beim Lesen nicht so großen Spaß, wie die Dialoge zwischen dir und deinen Gefährten.

So sind die Gespräche mit deinen drei Rettern und weiteren Charakteren, welche den Nightwings im Laufe der Spielstunden dazustoßen, sehr interessant. Das liegt vor allem daran, dass jeder seine eigene Vergangenheit mitbringt, über die du mehr erfahren kannst. Auch gehören sie alle unterschiedlichen Rassen an und bringen ihren eigenen persönlichen Besonderheiten und Ansichten mit. So ist zum Beispiel Rukey nie um einen Kommentar verlegen, während Jodariel sich sehr gut überlegt, über was sie sprechen möchte und was sie von sich preis gibt.

Insgesamt habe ich die vielen Gespräche mit allen Gefährten sehr genossen. Ich wollte immer mehr über sie erfahren und wissen, was sie für eine Vergangenheit haben und warum sie so sind, wie sie sind. Das gilt übrigens nicht nur für die eigenen Gefährten, sondern auch für die gegnerischen Teams, mit denen vor jedem Ritual ein paar Sätze gewechselt werden. Einfach toll. Auch die sehr gute Schreibweise hat ihren Teil dazu beigetragen, dass das viele Lesen nicht langweilig wird.

Das Fällen von Entscheidungen

Bei deiner Reise durch die Downside musst du auch immer wieder Entscheidungen treffen. Du kannst zum Beispiel zwischen zwei Reiserouten wählen. Jede von beiden löst ein bestimmtes Ereignis aus. Das Ereignis kann deine Gefährten für das nächste Ritual stärken oder schwächen. Vielleicht findest du aber auch Items oder Geld.

Auch kann die Zusammensetzung des Teams Konsequenzen haben. Nicht alle Gefährten harmonieren gleich gut miteinander und so kann deine Entscheidung nicht nur das Verhältnis zwischen ihnen beeinflussen, sondern auch zwischen ihnen und dir.

In gewisser Weise könntest du dich sogar dafür entscheiden, ein Ritual zu verlieren. Du bist nicht gezwungen alle oder bestimmte Rituale zu gewinnen. Die Geschichte und vor allem das Ende werden dadurch aber beeinflusst. Du kannst dadurch nicht nur das Schicksal der Nightwings beeinflussen, sondern auch das deiner Kontrahenten.

Des weiteren kannst du während der Dialoge immer wieder Entscheidungen treffen. Diese können sich dann auf deinen Gegenüber auswirken. So kann dieser Charakter dann im kommenden Rite verstärkte Werte haben oder er weigert sich, sich dir zu öffnen.

Die ganzen Entscheidungen und deren Auswirkungen bieten genug Anreiz, um Pyre nicht nur einmal zu spielen. Welches Schicksal hat ein bestimmter Charakter, wenn ich mich an einer bestimmten Stelle anders entscheide? In welche Richtungen kann sich die Story noch entwickeln? Das waren unter anderem Fragen, die ich mir gestellt habe. Ein zweiter Durchgang könnte sich also durchaus lohnen.

Eine Spielwelt zum Eintauchen

Während all der genannten Aktionen, welchen du in Pyre nachgehen kannst, begleitet dich ein fabelhafter Soundtrack. Die Musik ist wirklich wunderbar und trägt einen großen Teil zur Stimmung bei. Das gilt für die Reisen durch die Downside, für die Gespräche und auch für die Rituale. So hat zum Beispiel jedes gegnerische Team sein eigenes musikalisches Thema. Außerdem gibt es gewisse Lieder, welche mit Lyrics unterlegt sind. Diese sind durch die tollen Stimmen einfach wunderschön. Die Rituale werden außerdem von eine Art Kommentator begleitet, der Charme und Witz versprüht.

Dazu kommt ein Grafikstil, der sich einfach nur richtig anfühlt. Die Farbgebungen finde ich unglaublich toll und egal ob auf der schick gestalteten und mit Details gespickten Weltkarte, während der Rites, die in unterschiedlichen Stadien stattfinden, oder in den übersichtlichen und zweckdienlichen Menüs – es passt einfach.

Das, die sehr gut ausgearbeiteten Charaktere und die Bücher über die Downside und Rituale tragen dazu bei, dass du in die Spielwelt von Pyre sehr gut eintauchen kannst. Sie kommt einfach sehr glaubwürdig und durchdacht herüber. Das ist einfach wundervoll und so hätte ich gerne noch mehr Abenteuer in dieser erlebt. Dabei hilft übrigens auch sehr stark, dass die Bedeutung aller Begriffe mit einem einfachen Hovern über diese erklärt wird.

Schlusswort

Ich habe den Kauf von Pyre nicht bereut und habe die Zeit in dieser wundervollen Welt sehr genossen. Lediglich der fehlende Anspruch während der Rituale ist mir immer wieder sauer aufgestoßen. Ich denke aber, dass darauf auch tatsächlich nicht der Fokus liegt, daher verzeihe ich dies dem Spiel gerne. Besonders die Charaktere sind mir an’s Herz gewachsen. Allen voran Jodariel. Auch den Soundtrack werde ich nicht so schnell vergessen.

Pyre ist ein Spiel mit unglaublich tollen Charakteren, einer tiefen und großartigen Spielwelt und einer Geschichte, die spannend zu verfolgen ist. Wenn du bereit bist viel zu lesen und dich mit dieser Welt zu beschäftigen, ist Pyre mit seinen speziellen Stil und der wundervollen Grafik ein Spiel, in das du wunderbar eintauchen kannst und mit dem du sicherlich deine Freude haben wirst. Es ist aber tatsächlich mehr Lesen als spielen, wo gelegentlich auch durchaus etwas Geduld gefragt ist, wenn es um den Fortschritt der Geschichte geht. Dessen solltest du dir vorher bewusst sein. Wenn du aber zum Beispiel ein Freund von Visual Novels bist, sollte das kein Problem sein.