Was steckt hinter KI-Begleitern in Videospielen?

  • 20. Mai 2018 / Videospiele

Im Sommer 2017 habe ich Metro: Last Light gespielt. Wie auch im Vorgänger, herrscht in den unterschiedlichen Levels eine unglaublich dichte Atmosphäre. In den teils dunklen Schächten der Moskauer Metro, mit ihren ganzen Hintergrundgeräuschen, die alles andere als beruhigend sind, habe ich es das ein oder andere Mal mit der Angst zu tun gehabt. Umso glücklicher war ich, wenn mir gelegentlich ein KI-Begleiter (im Englischen »Buddy AI« oder »Companion AI« genannt.) zur Seite stand, der mich auf meinem Weg durch die Dunkelheit begleitet hat.

Ein paar Wochen später habe ich darüber noch einmal nachgedacht und mir die Frage gestellt: Warum ist das eigentlich so? Ein KI-Begleiter ist nichts weiter als ein Algorithmus. Er ist kein richtiger Mensch. Wieso hilft es mir auf einer emotionalen Ebene trotzdem, wenn mir ein Spiel diesen zur Seite stellt? Was macht eigentlich einen guten Buddy aus und wie schaffen es Entwickler, diesen zu entwickeln? Mit all diesen Fragen habe ich mich beschäftigt und meine Erkenntnisse möchte ich in diesem Artikel mit dir teilen.

Unvergessliche KI-Begleiter

Auch wenn Metro: Last Light das Spiel war, welches den Stein zum Anstoßen gebracht hat, war es nicht das erste, in dem ich durch eine Begleitung unterstützt wurde. Da wären zum Beispiel noch Elizabeth aus BioShock Infinite, Ellie aus The Last of Us oder Alex aus Half Life 2. Alle drei werden auch von anderen Spielern immer wieder als Beispiele genannt, wenn es um gute Begleiter geht. Aber was zeichnet diese eigentlich aus?

Zuallererst sollten sie mich als Spieler nicht behindern. Weder sollten sie zwischen mir und den Feinden stehen, wenn ich diese gerade attackiere, noch sollten sie mir im Weg stehen, wenn ich durch eine Tür oder in Deckung gehen möchte. Das Unvermögen der KI sollte nicht ausschlaggebend für mein virtuelles Versagen sein.

Neben den Dingen, die ein Begleiter nicht tun sollte, gibt es natürlich noch die, welche erwünscht sind. Ein Buddy, welcher sich selbst verteidigen kann, ist mir lieber als jemand, den ich die ganze Zeit beschützen muss. Denn bei letzteren fühlt sich das Ganze eher wie eine lästige Escort Mission an. Außerdem hat das den Vorteil, dass ich mich auf die Gegner konzentrieren kann, die mich gerade auf’s Korn nehmen und nicht noch auf andere achten muss.

Auch ist es gut, wenn mich mein Begleiter unterstützt. Zum Beispiel durch das Zuwerfen von nützlichen Items oder das Hinweisen auf wichtige Ereignisse, welche ich in der Hitze des Gefechts übersehe. Ebenfalls kann dieser mir den Weg weisen, wenn ich den Überblick verloren habe oder Tipps zu Rätseln geben.

Der letzten Punkte betreffen weniger das Gameplay, sind aber trotzdem sehr wichtig: die Glaubhaftigkeit eines Charakters. Nur wenn ein Gefährte eine eigene Persönlichkeit, Geschichte und Beweggründe hat und etwas zur Geschichte des Spiels beiträgt, schafft er es in den Köpfen der Spieler hängen zu bleiben. Ebenfalls ist es wichtig mit dem Companion besonders knifflige oder besondere Situationen gemeinsam erlebt zu haben. Eben diese Erlebnisse sind es, an die ich mich am Ende erinnere und damit auch automatisch an die KI.

Wenn ein KI-Begleiter alle genannten Punkte einhält, kann er uns Spielern schnell vergessen lassen, dass es sich dabei um Software handelt. Um zu verstehen warum das so ist, müssen wir uns ein bisschen mit dir, dem Menschen, auseinandersetzen.

Der Faktor Mensch

Ein Grund, warum du in Companions mehr als nur Programme siehst, ist dein Gehirn. Egal was du mit deinen Sinnen wahrnimmst, dein Gehirn wird immer versuchen, darin einen Sinn zu sehen. Etwas logisches. In manchen Fällen vielleicht sogar eine ganze Geschichte. Wenn dein Begleiter also eine Aktion ausführt, wirst du automatisch gewisse Beweggründe dahinter vermuten.

Das Ganze ist im Grunde also eine Illusion, die durch dein Gehirn begünstigt wird. So schnell diese aber auch entstehen kann, so schnell kann sie auch wieder verschwinden. In dem Moment, wo die KI sich so unlogisch verhält, dass du keinen Sinn dahinter erkennen kannst, ist die Illusion zerstört. Einerseits profitieren Entwickler also von der Art und Weise, wie das Gehirn arbeitet. Andererseits müssen sie aufpassen, da die Illusion fragil ist.

Es gibt eine Studie, in denen den Teilnehmern verschiedene Bilder gezeigt wurden und dann das Gesicht eines Mannes, dass nach jedem Bild gleich und emotionslos war. Allein durch den Wechsel der vorher gezeigten Bilder wollen die Teilnehmer unterschiedliche emotionale Ausdrücke im Gesicht wahrgenommen haben. Das ist bekannt als der Kuleshov Effect und bedeutet, dass du deine eigenen Gefühle auf andere Menschen projektierst, wenn diese keine Informationen über ihre preisgeben.

Aber was ist, wenn du es nicht mit einem ausdruckslosen Gesicht zu tun hast? Dann nimmst du die Information über den Gefühlszustand deines Gegenüber vor allem aus seinem Gesicht. Die Art und Weise wie die Haltung des Kopfes ist und was für einen Ausdruck die Augen haben, reicht dafür schon komplett aus. Das Ganze ist an der Egg Boy Demo, aus dem GDC Talk »Less A More I: Using Psychology in Game AI«, gut ersichtlich.

In einer weiteren Studie mit dem Titel »A Experimental Study of Apparent Behavior« von Heider und Schimmel aus dem Jahre 1944 zeigt, dass wir selbst in geometrische Formen wie Kreisen und Dreiecken Gefühle und Geschichten hinein interpretieren, obwohl das Blödsinn ist. Lediglich die Art und Weise, wie diese Formen positioniert sind und sich bewegen, reichen aus, um uns etwas vor zu machen.

Eine weitere interessante Funktion unseres Gehirns: An Situationen, in denen wir aus unserer Wohlfühlzone geraten (positiv und negativ) oder in denen wir gestresst sind, erinnern wir uns leichter.

Das und noch viel mehr sind Dinge, die den Spieleentwicklern bewusst sind und die sie sich zu nutze machen. Wie sie dieses Wissen nutzen und dich vergessen lassen, dass auch eine Elizabeth oder Elli nur Code sind, dazu komme ich jetzt.

KI Mechaniken erklärt

Das, was ich dir bereits beschrieben habe, kann auf eine KI angewendet werden. Die Art und Weise, wie sich eine KI bewegt und wie schnell sie dies tut, lässt uns gewisse Beweggründe in sie hinein interpretieren. Beispiel: Wenn plötzlich eine KI vor dir steht, dich ansieht, schnell einen Schritt zurück macht, sich hektisch umguckt, dich erneut anschaut und dabei langsam von dir weg geht, scheint sie Angst zu haben. Wenn sie stattdessen aber langsam einen Schritt zurück geht, sich ruhig umschaut, dich erneut anschaut und dabei langsam auf dich zugeht, scheint sie eher einen bösen Eindruck zu machen und es auf dich abgesehen zu haben.

Ich komme nun zu konkreten Mechaniken, welche in die KI von Elizabeth (Bioshock Infinite) und Elli (The Last of Us) eingebaut wurden.

Elizabeth – Interaktive Umgebung und Emotionen

Im konkreten Fall von Elizabeth aus BioShock Infinite haben sich die Macher mit einem sogenannten »Smart Terrain« beholfen. Dieses unterstützt dabei, Elizabeth lebendig und interessiert wirken zu lassen, schließlich war sie bis zum Treffen mit Booker fast ihr ganzes Leben in einem Turm eingeschlossen. Also sollte sie sich für das viele Unbekannte in ihrer Umgebung interessieren.

Smart Terrain bedeutet, dass die Entwickler in jedem Level viele verschiedene Interaktionspunkte gesetzt haben. Elizabeth sucht aber nicht einfach jeden auf, sondern solche, die auch auf dem Weg oder im Blickfeld des Spielers liegen. Außerdem gibt es eine Cooltime, damit Elizabeth nicht alle paar Schritte mit etwas interagiert. Damit werden diese Interaktionen vom Spieler als etwas besonderen angesehen. Das bedeutet auch, dass nicht jeder Spieler alle Interaktionen von Elizabeth sieht. Ein Kompromiss, den die Entwickler bereit waren einzugehen.

Ein konkretes Beispiel für einen dieser Interaktionspunkte ist das Gemälde einer alten Dame. Elizabeth betrachtet und kommentiert dieses. Damit sie aber nicht einfach nur unnatürlich auf einen Punkt des Bildes starrt, wurden auf dem Bild viele Blickpunkte definiert. So bewegen sich bei der Betrachtung die Augen und der Kopf von Elizabeth, um sie menschlicher erscheinen zu lassen.

Auch war es für die Entwickler wichtig, dass die Aktion, welche Elizabeth sich aussucht, zur aktuellen Stimmung und Situation passen. So ist sie nach einem Kampf eher bedrückt oder erschöpft und verhält sich auch entsprechend. Würde sie nach einem Kampf etwas gut gelauntes oder lustiges machen, wäre das aus Sicht des Spielers ziemlich merkwürdig und würde die Glaubwürdigkeit zerstören. Diese Mechanik haben die Entwickler »After Combat Emotion« genannt.

Apropos Emotionen: damit diese vom Spieler möglichst gut aus dem Gesicht von Elizabeth gelesen werden können, haben sie sich für ein überproportionales Gesicht entschieden. Damit kann der Spieler auch aus leichter Entfernung die Emotionen aus dem Gesicht ablesen.

Außerdem ist nicht gewährleistet, dass der Spieler Elizabeth immer im Blickfeld hat. Daher wurden Sätze oder Geräusche eingebaut, die den Spieler auf Elizabeth aufmerksam machen. Zum Beispiel ein lautes Durchatmen oder Seufzen oder dass sie, »Schaue mal, da!« ruft.

Elli – Kämpft mit und ist nah dran

Im Gegensatz zu Elizabeth kämpft Elli aktiv mit. Daher werde ich zu Elli besonders auf Mechaniken eingehen, die mit dem Kampf zu tun haben.

In einem Third-person-Shooter, wo die Kamera relativ nah an der eigenen Spielfigur ist, bekommst du als Spieler nicht so leicht mit, was außerhalb deines Blickwinkels passiert. Unter anderem eben auch nicht, ob dein Buddy dir gerade hilft oder nicht. Die Entwickler von The Last of Us mussten also dafür sorgen, dass der Spieler mitbekommt, das Elli mitkämpft. Dies haben sie erreicht, indem sie während der Kämpfe redet und schreit. So kann der Spieler Elli vielleicht nicht sehen, aber hören.

Eine weitere Herausforderung war, dass Elli als kleines Mädchen in den Gefechten keine Killermaschine ist. Am Anfang war dies noch leicht vermittelbar, da sie Gegner nur mit kleinen Gegenständen bewerfen konnte. Später bekommt jedoch auch sie eine Pistole. Um die Glaubwürdigkeit des Charakters beizubehalten, haben die Entwickler Elli eine weniger hohe Schussfrequenz als den Gegnern gegeben.

Durch einen kämpfenden Companion besteht die Gefahr, dass das Spielerlebnis für den Spieler zu einfach wird. Also haben sich die Entwickler entschieden, dass die Schüsse von Elli nur Schaden versuchen, wenn der Spieler den getroffenen Gegner oder Elli im Blickfeld hat. So können die Schüsse von ihr genauso viel Schaden versuchen, wie die vom Spieler, was der Glaubwürdigkeit der Welt hilft, ohne das Spiel zu einfach werden zu lassen.

Wer kämpft begibt sich auch selbst in Gefahr – eigentlich. Im Fall von Elli haben sich die Entwickler aber dagegen entschieden, dass sie von Gegnern gepackt und dann innerhalb eines Zeitlimits vom Spieler gerettet werden muss. Beim Ausprobieren dieser Mechanik stellten sie fest, dass dies schnell nervig wird, weil der Spieler ein Problem lösen muss, für das er selbst nicht verantwortlich ist.

Nicht selten bietet The Last of Us auch die Möglichkeit Kämpfen auszuweichen und stattdessen zu schleichen. Auch hierfür mussten sich die Entwickler bezüglich Elli einiges einfallen lassen.

So beachten Gegner Elli erst im Kampf und noch nicht beim Schleichen. Sonst wäre etwas, dass der Spieler nur schwer beeinflussen kann, am Auffliegen schuld, was wiederum nervig wäre. Auch bleibt Elli immer sehr nahe an Joel dran und es wurden extra Animationen erstellt, falls Elli beim Bewegen innerhalb der Deckung im Weg ist und Joel um sie herum gehen muss. In diesen Animationen ist Elli dann zwischen Joel und der Deckung, was einen beschützenden Eindruck vermittelt und die Bindung zwischen beiden stärkt.

Wenn Elli Joel folgt, muss sie nicht zwangsläufig hinter der gleichen Deckung sein wie er. Dafür haben die Entwickler einen Algorithmus geschrieben, der durch die Levels geht und Objekte, die bestimmten Kriterien (z.B. Höhe und Breite) entsprechen, als Deckung markiert. So weiß die KI, hinter was für Objekten sie sicher ist. Da dies für ein glaubwürdiges Verhalten und eine nahe Beziehung zu Joel aber nicht reicht, haben die Entwickler die Mechanik zum finden von Deckung noch erweitert. So spielt es ebenfalls eine Rolle, wie weit die Deckung von Joel entfernt ist und dass sie stets hinter Joel und nicht vor ihm ist. Außerdem schaut die KI, dass sie Deckungen aussucht, bei denen sie dann nicht gegen eine Wand schaut, sondern ebenfalls das im Blick hat, was der Spieler sieht. Eine Elli die hinter einer Deckung auf eine Wand schaut, ist unglaubwürdig.

Schlusswort

Insgesamt lässt sich sagen, dass Entwickler, denen die Begleiter-KI in einem Spiel wichtig ist, viel Zeit und Mühen darin investieren, diese glaubhaft erscheinen zu lassen. Alles was ich genannt habe, sind nur einige wenige Beispiele und auch nur von zwei Charakteren. Es gibt noch so viel mehr. Dies würde aber den Rahmen des Artikels sprengen. Dennoch hoffe ich mit diesen gut vermittelt zu haben, was hinter einem Buddy eigentlich alles stecken kann und was dafür sorgt, dass du dich als Spieler nicht so allein fühlst, auch wenn es sich dabei nur um Code handelt.

Wenn du noch mehr erfahren möchtest, findest du hier nun alle noch nicht verlinkten Quellen, aus denen ich meine Informationen bezogen habe oder mit denen ich in Kontakt kam: